Karl I. und das Rittertum in Frankenstein (Bau des Schlosses)
(entnommen dem Buch "Am Born der Heimat" von 1926) Eine bedeutende Persönlichkeit im Ausgang des Mittelalters, die es für unser Gebiet verdiente, gleich dem ungefähr um dieselbe Zeit lebenden Kaiser Maximilian "der letzte Ritter" genannt zu werden, ist Herzog Karl I. von Münsterberg-Frankenstein, Oels und Graf zu Glatz. Von keinem anderen mittelalterlichen Fürsten unserer Heimatstadt haben wir in den zeitgenössischen Quellen so viel Material, das uns Aufschluß gibt über sein Leben und Schaffen; keiner wird in solchen Maß gelobt und gerühmt als gerechter und gütiger Fürst, als Mehrer und Schirmer der Stadt und ihrer Bürger, als echter Vertreter des damals schon im Aussterben begriffenen alten rechtschaffenen Rittertums. Kein anderer Fürst hat soviel für die Vergrößerung, Befestigung und Verschönerung der Stadt, für Handel und Gewerbe, für das geistige Emporkommen und den wirtschaftlichen Fortschritt der Bürger getan, wie gerade Karl I. Er stammte aus dem böhmischen Geschlecht derer von Podiebrad und Kunstadt und wurde - Tag und Jahr seiner Geburt stehen nicht genau fest – am 2.Mai oder am 4.Mai 1476 als dritter Sohn Herzog Heinrichs I. von Münsterberg-Frankenstein geboren. Über seinen Geburtsort und seine Erziehung ist nichts bekannt. Im Jahre 1488 vermählte ihn sein Vater Heinrich I. zusammen mit seinen älteren Brüdern Albrecht und Georg mit drei Töchtern des Herzogs Johann II. zu Sagan und Großglogau. Karl war bei dieser Eheschließung noch recht jung, kaum 12 beziehungsweise 16 Jahre alt. Diese Vermählung der drei Brüder stellte nur einen kühnen Schachzug ihres ehrgeizigen, ländergierigen Vaters Heinrich dar, der durch die Erbfolge auch die saganischen Lande seinem Herzogtum hinzufügen wollte. Doch bald hätte sich sein schöner Plan zerschlagen und er selbst seine eigenen Lande im Glogauischen Erbfolgekrieg eingebüßt, wenn nicht 1490 durch seinen Gönner, den König Waldyslaw die Streitigkeiten aufgehoben worden wären. 1498 starb Heinrich I. in Glatz und liegt auch dort begraben. Nach ihres Vaters Tode regierten die drei Brüder Albrecht, Georg und Karl zunächst gemeinsam.Wir finden ihre drei Namen immer zusammen unter allen Urkunden und Privilegien aus dieser Zeit. Sie ließen z.B. das schon damals bestehende Bad Landeck wieder herstellen und die warmen Quellen reinigen. Doch hielten sie getrennt Hofhaltung; Albrecht wohnte zumeist in Glatz, Georg in Oels, während Karl schon damals Frankenstein wegen seiner schönen Lage bevorzugte. Bald starben seine Brüder, 1502 Georg, 1511 Albrecht. Von dieser Zeit an regierte er allein als Karl I., Herzog von Münsterberg-Frankenstein, Oels und Graf zu Glatz bis 1536. Zunächst sind seine Verdienste für den Bauzustand seiner Residenz hervorzuheben. Frankenstein war damals noch eine recht armselige Stadt;"wüst und leer" schildert sie uns der Chronist. Die Häuser bestanden fast alle aus Holz, waren mit Schindeln gedeckt und mit den Giebeln auf die Straße zu gebaut. Die Gassen waren eng und winkelig, oft durch den auf ihnen lagernden Schmutz und Kot kaum begehbar. Die Stadtmauer war wenig hoch und wies viele Breschen auf, die vier Tore, das Breslauer-, Münsterberger-, Glatzer- und Lochtor (heute Silberberger Tor) waren nicht genügend mit Türmen bewehrt und geschützt. – Um nun die Feuergefährlichkeit der Holzbauten zu vermindern, gebot der Herzog, alle Bürger sollten nach Möglichkeit neue, steinerne Häuser bauen. Um die Baulust auch bei den umwohnenden Adeligen anzuregen, führte er den Gebrauch der Freihäuser ein: der Besitzer jedes adeligen steinernen Hauses, das jetzt in der Stadt gebaut wurde, war frei von der städtischen Gerichtsbarkeit, von bestimmten Abgaben und der Nachtwachpflicht. Noch heute führt die westliche Parallelstraße der Oberstraße, an der die katholische Volksschule steht, davon den Namen "Freiheit", und das erste Haus dieser Straße, das altertümliche Eckhaus nahe der katholischen Pfarrkirche, ist noch ein solches Freihaus, das der große Brand 1858 verschont hat. Am Ringe entstanden verschiedene Neubauten, so ein Tuch- und Gewandhaus der Tuchmacherzunft an der Breslauer Gasse, ferner ein Haus der Schmiedezunft, die sogenannte "Burg am Ringe", ebenfalls nach der Breslauer Seite zu. 1511 begann man mit dem Bau eines steinernen Pfarrhofes. 1528 erhielt ein Arzt Koppen von Rauenthal das Privileg zur Gründung einer Apotheke und erbaute diese an der Stelle, wo heute die Kronenapotheke steht; eine Inschrift besagt noch jetzt: "priv. 1528".- So nahm die Stadt in ihrem baulichen Zustand einen ersichtlichen Aufschwung, und als erst noch die hölzernen Lauben, die sich bisher von Haus zu Haus am Ringe schlangen, wegen der Feuersgefahr auf Befehl de Herzogs beseitigt worden waren, da mag das Stadtbild einen recht guten Eindruck gemacht haben. Dieser gute Eindruck wurde noch verstärkt, als die Befestigungsanlagen, Stadtmauern und Tortürme ausgebessert und zum Teil erneuert worden waren. Unermüdlich arbeitete Karl I. daran, die Belagerungsfestigkeit seiner Residenz zu vergrößern. Er ließ die Stadtmauer auf der Breslauer Seite, die wegen der gleichen Höhe des Außengeländes mit der Stadt und wegen des somit fehlenden natürlichen Schutzes die gefährdetste war, verdreifachen, während die übrige Mauer doppelt war und zwischen sich einen Graben, den sogenannten "Parchen", hatte, dessen Grasnutzung in Friedenszeiten an die Bürger verpachtet werden konnte. Trümmer dieser Befestigungsanlagen so wie Türme sind jetzt noch mancherorts in der Stadt zu sehen. Die Türme an den Toren, die diese ganz besonders zu decken und zu schützen hatten, wurden verstärkt, wohl auch ganz neu erbaut. Nach Fertigstellung all dieser Arbeiten mag die Stadt recht trotzig und wehrhaft dagestanden haben. Karl baute in der Stadt eine Münze, die aber später nach Reichenstein verlegt wurde. Seit 1511 wohnte Herzog Karl I. mit seiner Gemahlin Anna aus dem Geschlecht der Herzöge von Sagan und Großglogau und seiner Familie ständig in Frankenstein. Doch zunächst gab es noch keine angemessene Fürstenwohnung in der Stadt. Zwar war eine landesherrliche Burg schon seit alter Zeit vorhanden; doch diese war klein und zudem durch Kriege um die Mitte des 15.Jahrhunderts recht mitgenommen und zerfallen. Karls Lebensaufgabe wurde es nun, für sich und seine Nachfolger eine angemessene Wohnung zu bauen. Er plante den Bau eines großen, fürstlichen Schlosses, keiner mittelalterlichen Burg. Denn mit dem Aufkommen der Feuergeschütze war die Zweckmäßigkeit und der Nutzen der alten Ritterburgen geschwunden. Dem Herzog soll nun das mächtige Schloß in Ofen als Vorbild gedient haben. Soviel steht jedenfalls fest, daß es ein für damalige Verhältnisse gewaltiger Bau wurde. Karl hat daran gebaut bis zu seinem Lebensende, seine Nachfolger haben weiter gebaut, und doch ist das Schloß niemals fertig geworden. Bei der Sprengung im dreißigjährigen Kriege war noch der ganze Nordflügel unausgebaut. Der gewaltige Plan hat eben besonders die finanzielle Kraft des Fürsten und auch seiner Nachfolger überstiegen. Und doch wurde es noch ein mächtiger Bau, eine Zierde für die Stadt. Bilder des Schlosses vor der Zerstörung 1646, die sich in unsere Zeit hinüber gerettet haben und im Frankensteiner Stadtarchiv zu sehen sind, lassen die Größe und Schönheit des Baues mit seinen zwei viereckigen und drei runden Türmen, den Ecktürmen, seinen hohen Spitzdächern, den Zwiebelaufsätzen auf den Türmen mit ihren Fahnen, den regelmäßigen Fensterreihen und der gewaltigen Halbrundzinnenkrönung nur ahnen. Fest und stark war das Schloß aber auch gegen äußere Angriffe eine Wehrfeste. Mit stürmender Hand ist es nie eingenommen worden; die Besatzung konnte stets nur durch Aushungern bezwungen werden. Die Beschießung durch den Grafen Montecuccoli 1646 fügte den festen Mauern nicht viel Schaden zu, und selbst bei der bald darauf folgenden Zerstörung des Schlosses durch Kaiserliche, leistete der Eingangsturm dem Sprengpulver Widerstand und barst nicht, während die Ecktürme damals ihre jetzt noch klaffende Wunde erhielten.- Herzog Karl soll 1524, nach anderen Quellen allerdings bedeutend früher, mit dem Bau begonnen haben. Nach dem Inhalt der lateinischen Inschrift einer Metalltafel, die sich über der großen Einfahrt befand und 1646 bei der Zerstörung abgenommen wurde und dann verloren ging, deckte man im Jahre 1530 die Dächer mit Schiefer; 1532 bezog Karl I. das Schloß. Doch soll kaum der vierte Teil mit Zimmern ausgestattet gewesen sein. Über dem Portal befindet sich noch heute das Wappen des Erbauers und darunter, in Stein gehauen, die Jahreszahl 1532. Nun wohnte der Herzog mit seiner Familie in einem, seinem Range entsprechenden Schlosse. Jetzt wird sich hier noch einmal der ganze Glanz des sinkenden Rittertums entfaltet haben. Wenn auch die Quellen hierüber schweigen, so ist doch anzunehmen, daß bei dem liebenswürdigen, umgänglichen Wesen des Fürsten und seiner hohen Stellung als Vertreter und Berater des böhmischen Königs oft Feste und Gelage auf dem Schlosse stattgefunden haben. Seine Familie hatte sich außerdem stark vergrößert; er war der Vater vieler, zum Teil schon erwachsener Söhne und Töchter. Da wird es an Geselligkeit nie gefehlt haben. Und der schöne, prächtige Rittersaal sah sicher recht oft rauschende Fest, Fürsten und Grafen fröhlich beim Wein und Würfelbecher, sah zarte, schöne Frauen und anmutige Kinder sich im Tanze drehen. Wie oft mögen die verschlungenen Gänge, mag das hohe Treppenhaus im Eingangsturme gedröhnt haben von den Tritten lustig springender Fürstenknaben! Oft mögen im Schloßhofe die Streitrosse im Turnier gegeneinander gesprengt sein, während von der Hofgalerie herab, deren Spuren wir noch bemerken können, die edlen Frauen dem ritterlichen Streite zusahen und dem Sieger huldvoll zulächelten.- Und wieder erschallt lauter Lärm; diesmal ist es taktmäßiger Hammerschlag; er dringt aus der Hofschmiede links vom Hofportal in der Ecke. Dort schmieden sie Waffen und Rüstungen für kommende Kriegsnot. Aus der Tür hinter dem Hungerturm dröhnt lautes Stampfen und Wiehern; die Pferde sind´s, mutige Rosse, gewohnt in ritterlichem Kampfe ihren Herrn zum Siege zu tragen. Vom Eingangsturm herab kündet der Wächter durch Hornstöße die Ankunft ritterlicher Gäste, oder auch Bürgermeister und Rat der freien Stadt Frankenstein sind vom Schloßherrn zur Tafel geladen und schreiten in feierlichem Zuge in ihren Staatsröcken über die Zugbrücke, freundlichst empfangen vom ritterlichen Gastgeber.- Leben herrschte im Schloß, frisches, pulsierenden Leben.- Doch eine Zeit gibt es, da ist es öde im Schloß. Kaum daß die notwendigsten Arbeiten verrichtet werden, das ist die Winterszeit. Kalt ist es überall in den hohen, feuchten Räumen, in den prächtigen Kemenaten. Zwar sind überall offene Kamine angebracht mit mächtigen Rauchfängen, zwar brennen und lohen fast überall mächtige Eichenscheite; doch sie vermögen die Gemächer nicht zu erwärmen. Durch die breiten Rauchfangöffnungen pfeift der Wind und reißt die Wärme mit hinaus, zwischen den Fenstern und Türen herrscht infolge des mangelhaften Verschlusses beständig Zugluft. Frierend sitzt alles um den Kamin, der Qualm der Kienfackeln an den Abenden füllt die Räume. Was sollte man beginnen? Das Beste war, man legte sich hin und suchte die schlimme Zeit nach dem Beispiele Walthers von der Vogelweide zu verschlafen und zu verträumen. Und noch hatten es die Herren auf dem Frankensteiner Schlosse, das schon Glasfenster besaß, gut im Vergleich zu den Bewohnern vieler Burgen, die im Winter ihre Fensteröffnungen mit Brettern und Stroh verkleiden mußten und immerwährende Dunkelheit in ihren Räumen hatten.- War aber die schlimme Zeit erst einmal vorbei, lachte die Sonne wieder am blauen Himmel, dann zog wieder neue Lust und neues Leben auf dem Schlosse ein. Rauschende Feste wurden wieder gefeiert, glänzende Turniere fanden statt. Solch ein ritterliches Kampfspiel wurde mit erlesener Pracht 1536 auf dem Ringe in Frankenstein abgehalten. Es fand in diesem Jahre die Vermählung der beiden ältesten Söhne Herzog Karls I. statt. Die Landleute hatten 100 Fuder Sand auf den Ring schaffen müssen, der zu einer großen Stechbahn umgewandelt wurde. Den ganzen Tag über wurde eifrig gekämpft. Am Abend brannte man ein großes Feuerwerk beim Schlosse ab. Auch für Volksbelustigung war reichlich gesorgt worden. Herzog Karl I. hatte zwar das Fest körperlich noch recht rüstig mitgefeiert. Bald aber zeigte es sich, daß der alternde Fürst solchen Anstrengungen nicht mehr gewachsen war. Wenige Wochen später starb er. Mit allem fürstlichen Prunk und Glanz wurde er in der Stadtpfarrkirche im Presbyterium beigesetzt. 12 Jahre später starb seine Gattin Anna und fand an seiner Seite die letzte Ruhestätte. Bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts schmückte ihr Grab eine prächtige Tumba aus weißem Sandstein. Jetzt ist diese leider in die Kauffung´sche Kapelle an unwürdige Stelle verbannt worden. Doch als wahrhaft Großer soll sein Name der Erinnerung bewahrt bleiben. |